Am 9. März 2022 ist Inge Deutschkron wenige Monate vor ihrem hundertsten Geburtstag Berlin gestorben. Sie war eine Berliner Zeitzeugin, die unter den Nationalsozialisten als Jüdin verfolgt wurde. Durch die mutige Unterstützung vieler Helferinnen und Helfer konnte sie zusammen mit ihrer Mutter die menschenverachtende Herrschaft des NS-Regimes in Verstecken in ihrer Heimatstadt Berlin überleben (Link zur Gedenkstätte “Stille Helden”).
Eine Schlüsselrolle kam dabei dem Besen- und Bürstenfabrikanten Otto Weidt zu, der in seiner Blindenwerkstatt (hier für mehr Informationen klicken) für jüdische Menschen eine „Oase der Menschlichkeit“ schuf. Ihm gelang es, durch Bestechung der Gestapo seine jüdische Belegschaft über einen langen Zeitraum zu schützen und vor dem sicheren Tod zu bewahren. Otto Weidts Andenken zu wahren und vor neu aufkeimender Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zu warnen, war das zentrale Anliegen für Inge Deutschkron. Ihre atemberaubende Lebensgeschichte hat sie später in dem Buch „Ich trug den gelben Stern“ aufgeschrieben, das an dieser Stelle wärmstens empfohlen sei.
Vor fast zwanzig Jahren hat Gustel Houtrouw den Kontakt zu Frau Deutschkron gesucht. Seitdem hat sie vielen Jahrgänge des RSG im Rahmen der Berlinfahrt (hier für mehr Informationen klicken) in den Räumen der ehemaligen Blindenwerkstatt ihre Lebensgeschichte erzählt. Obwohl es für sie eine große emotionale Belastung war, immer wieder gedanklich zu den schlimmen Erlebnissen ihrer Jugend zurückzukehren, stellte sie sich Jahr für Jahr wieder als Zeitzeugin zur Verfügung. Sie war eine begnadete Erzählerin, der es immer wieder gelang, ihre jugendlichen Zuhörer mit ihren eindrucksvollen und mit einer gehörigen Portion Berliner Schnauze vorgetragenen Berichten zu faszinieren. Obwohl schon weit über neunzig Jahre alt, mahnte sie ihr Publikum unerlässlich, sich jeder Form von Menschenverachtung entschlossen entgegenzustellen.
Bei unserer letzten Begegnung zeigte sie sich beim Abschied angesichts der jüngsten Wahlerfolge der AfD besorgt. Sie befürchtete, dass wieder eine nationalistische Regierung in Deutschland an die Macht kommen könne. Wir haben ihr gesagt, dass die jüngeren Generationen das nicht zulassen würden. Das ist unsere Verpflichtung.
Wer das Glück hatte, Inge Deutschkron zu erleben, wird sie nie vergessen. Möge sie in Frieden ruhen. Möge sie uns als Beispiel dienen, uns unermüdlich für Frieden, Demokratie und Menschenrechte einzusetzen.

Mit der Zeitzeuging Inge Deutschkron