Einen Jux will er sich machen

Johann Nepomuk Nestroy: Einen Jux will er sich machen
aufgeführt vom Literaturkurs 2012


Um es vorwegzunehmen:
Dieses Stück kann man heute eigentlich nicht mehr aufführen!
Ein haarsträubender Plot (der immerhin noch dezent eine relevante Gesellschaftskritik transportiert) mit vorhersehbaren Entwicklungen und dramatischer Ironie aus dem Kasper-Theater, Versteckspielen hinter Büschen oder Spanischen Wänden und mit überholten Moralvorstellungen und Anstandsregeln, die jüngere Generationen aufheulen lassen müsste. Und das alles ohne den Einsatz von Handy, I-Pod, I-Pad oder sonstigem „I-Schnickschnack“!!
Wie gesagt: „Eigentlich“. Es sei denn, zwei ausgemachte Theater-Profis wie Tanja Beeck und Hawe Kemen vom Rhein-Sieg-Gymnasium führen Regie. Wie sie die Literaturkurse der Jg. 11 und 12 auf der Bühne juxen, poltern, herumtoben und sogar singen lassen, ist reine, wahre Freude! Über der atemlosen 2-stündigen Hetzjagd mit z.T. waghalsigen Manövern und der unglaublichen Spielfreude dieser jungen Truppe vergessen die mitgerissenen Zuschauer schnell die Schwächen der Vorlage. Und wie immer bei den beiden Verantwortlichen strotzt die Inszenierung voller Ideen, wie in den großartigen (aktualisierten) Gesangseinlagen, der Leiter-Akrobatik oder dem selbst-gebauten Bühnenbild, das auch vor einer einrollenden Kutsche in Original-Größe nicht Halt macht.
Es ist fast unmöglich, unter den jungen Schauspielerinnen und Schauspielern jemanden herauszuheben, denn neben den überragenden 4 – 5 Hauptakteuren sind auch alle Nebenrollen passgenau besetzt – und dennoch müssen zwei besonders genannt werden, die das Talent und auch den Mut hatten, auf der Bühne live zu singen: Annika Hoffmann als Köchin und Henno Maue als juxender Weinberl.
Wenn sich Nestroy einen Jux mit dem Publikum hat machen wollen, dann hat er sich spätestens mit der Aufführung am RSG verrechnet: Das Duo Beeck-Kemen hat sich nicht reinlegen lassen, sondern das verstaubte Stück mit all seinen Schwächen augenzwinkernd auf Hochglanz poliert. Melchior, der neue Hausdiener von Herrn Zangler, müsste in einem Gesamt-Urteil erneut seinen running gag einbringen: „Das ist – äh – klassisch!“

Bernd Siegloch